Die Magie der kleinen Effekte

Vom Duschen und Auto fahren. Oder: In vier kleinen Schritten zu einer Halbierung der Emissionen im Straßenverkehr.

Nehmen wir an, eine Person möchte den ökologischen Fußabdruck ihres Duschverhaltens halbieren. Aber: Nur noch halb so oft duschen wie sonst?! Das klingt nach einer ziemlich drastischen und für die meisten wohl unvorstellbaren Verhaltensänderung. Es geht aber auch ganz anders.

Was passiert, wenn diese Person von nun an,
– 20 Prozent seltener duscht (z.B. 20 Mal statt 25 Mal im Monat),
– 20 Prozent kürzer duscht (z.B. 8 Minuten statt 10 Minuten) und
– mit 20 Prozent weniger Wasserdruck duscht (z.B. mit 4 statt mit 5 Litern pro Minute)?

Man könnte meinen, dass sich der Wasser- und Energieverbrauch um 20 Prozent reduzieren würde, aber tatsächlich wären es 48,8 Prozent, also fast die Hälfte – und das mit drei moderaten Verände­rungen, zu denen viele vermutlich viel eher bereit wären. Wenn die Person nun auch noch etwas weniger heiß duschen würde, könnte sie leicht sogar auf 60 Prozent Energieeinsparung kommen. Man kann sich ausmalen, dass der Effekt natürlich noch stärker wird, je größer die einzelnen kleinen Veränderungen sind. Bei jeweils 30 Prozent (und gleicher Temperatur) würde der Wasser- und Energieverbrauch beim Duschen um über 65 Prozent sinken.

Die Rechnung geht wie folgt: 20 Prozent Reduktion ist gleichbedeutend mit 80 Prozent des ursprünglichen Wertes. Der verbleibende Energieverbrauch nach der Reduktion der Häufigkeit und der Dauer des Duschens sowie des Wasserdrucks beim Duschen, ist dann 0,8 ⋅ 0,8 ⋅ 0,8 ⋅ ursprünglicher Energieverbrauch = 0,512 ⋅ ursprünglicher Energieverbrauch. Die Einsparung ist also 1 0,512 = 48,8 %. Reduziert man die drei Parameter um jeweils 30 Prozent, verbleiben 0,7 ⋅ 0,7 ⋅ 0,7 = 0,343 = 34,3 Prozent des ursprünglichen Energieverbrauchs. Man spart in diesem Fall also 65,7 Prozent an Energie.

Vom Individuum zur Gesellschaft

Es wäre durchaus wünschenswert, wenn sich viele Menschen dieser „Magie“ bewusst wären und bereit, ihren ökologischen Fußabdruck beim Duschen und in anderen Bereichen auf ähnliche Weise zu reduzieren. Es ist aber schwer (und unpopulär), das individuelle Verhalten im Badezimmer durch politische Maßnahmen zu adressieren. Das Prinzip der kleinen Effekte, die sich zu einem größeren Effekt multiplizieren, lässt sich aber auch auf eine größere Ebene übertragen.

Wie wäre es zum Beispiel, kurzfristig eine Halbierung der bundesweiten CO2-Emissionen im Straßenverkehr als politisches Ziel zu verfolgen? Vollkommen unrealistisch? Mal sehen…
Würde es gelingen,
– (1) die Zahl der im Verkehr befindlichen Autos,
– (2) die Zahl der mit diesen Autos getätigten Fahrten,
– (3) die dabei durchschnittlich gefahrene Strecke sowie
– (4) den durchschnittlichen Spritverbrauch pro Strecke um jeweils 16 Prozent zu senken,
so wären die CO2-Emissionen durch den Auto-Verkehr halbiert.

16 Prozent Reduktion bedeuten 84 Prozent bleiben übrig. Da wir aber vier Faktoren, in die man die Emissionen im Verkehr zerlegen kann, jeweils um 16 Prozent reduzieren, berechnen sich die verbleibenden Emissionen wie folgt: 0,84 ⋅ 0,84 ⋅ 0,84 ⋅ 0,84 ⋅ ursprüngliche Emissionen = 0,498 ⋅ urpsprüngliche Emissionen, also 49,8 Prozent. Somit beträgt die Emissionsreduktion 50,2 Prozent.

Diese vier einzelnen Effekte sind moderat und lassen sich, wenn auch unterschiedlich gut, durch politische Maßnahmen erreichen. Mit Abstand am einfachsten zu erreichen wäre übrigens der vierte Schritt: durch die simple ordnungspolitische Maßnahme niedrigerer Tempolimits. Alle vier Schritte hätten übrigens eine Reihe von Co-Benefits, also positiver Nebeneffekte jenseits von Klimaschutz.

Z.B.: Weniger Autos heißt weniger Flächenbedarf für parkende Autos; weniger Autoverkehr und niedrigere Tempo­limits bedeuten weniger Lärm- und Abgasbelastung, weniger Unfälle und gesündere Mobilität (mehr Bewegung).

Natürlich ist eine Emissionsreduktion von 50 Prozent mittelfristig nicht genug. Kurzfristig wäre es aber enorm wichtig und wertvoll, in möglichst vielen Bereichen diese low hanging fruits, also vergleichsweise einfach zu erreichende Reduktionspotentiale zu nutzen. Je niedriger die verbleiben­den Emissionen in einem Sektor sind, desto eher kann es gelingen, diesen Sektor durch technische Maßnahmen zu dekarbonisieren.